Der Zwerg
Im trüben Licht verschwinden schon
die Berge,
Es schwebt das Schiff
auf glatten Meereswogen,
Worauf die Königin mit ihrem Zwerge.
Sie schaut empor zum hochgewölbten
Bogen,
Hinauf zur lichtdurchwirkten blauen Ferne;
Die mit der Milch des Himmels blau durchzogen.
"Nie, nie habt ihr mir gelogen noch,
ihr Sterne,"
So ruft sie aus, "bald werd' ich nun entschwinden,
Ihr sagt es mir, doch sterb' ich wahrlich gerne."
Da tritt der Zwerg zur Königin, mag
binden
Um ihren Hals die Schnur von roter Seide,
Und weint, als wollt' er schnell vor Gram erblinden.
Er spricht: "Du selbst bist schuld
an diesem Leide
Weil um den König du mich hast verlassen,
Jetzt weckt dein
Sterben einzig mir noch Freude.
Zwar werd' ich ewiglich mich selber
hassen,
Der dir mit dieser Hand den Tod gegeben,
Doch mußt zum frühen Grab
du nun erblassen."
Sie legt die Hand aufs Herz voll
jungem Leben,
Und aus dem Aug' die schweren Tränen rinnen,
Das sie zum Himmel betend will erheben.
"Mögst du nicht Schmerz durch meinen
Tod gewinnen!"
Sie sagt's; da küßt der Zwerg die bleichen Wangen,
D'rauf alsobald vergehen ihr die Sinnen.
Der Zwerg schaut an die Frau, von
Tod befangen,
Er senkt sie tief ins Meer mit eig'nen Händen,
Ihm brennt nach ihr das Herz so voll Verlangen,
An keiner Küste wird er je mehr landen.
(Matthäus von Collin; 1779-1824)