Schildkröten in allerlei Schrifttum - eine wirklich kleine Auswahl ...

 

 

Der Adler und die Schildkröte

Eine Schildkröte bat einen Adler, ihr Unterricht im Fliegen zu geben. Der Adler suchte es ihr auszureden, aber je mehr er sich bemühte, ihr das Törichte ihres Wunsches klarzumachen, desto mehr beharrte sie darauf.

Ihrer dringenden Bitten müde, nahm der Adler sie endlich in die Luft und ließ sie ungefähr turmhoch herabstürzen; zerschmettert lag sie auf der Erde und musste so ihre Torheit büßen.

Trachte nicht nach Dingen, die die Natur dir versagt hat; was die Natur versagt, kann niemand geben.

(von Aesop)


Achill und die Schildkröte

Achill und eine Schildkröte verabreden sich zu einem Wettlauf über einhundert Meter. Er ist zehnmal so schnell und lässt ihr zehn Meter Vorsprung. Er läuft zehn Meter, sie ist dann einen Meter vor ihm. Er läuft den einen Meter, sie ist dann zehn Zentimeter vor ihm. Er läuft die zehn Zentimeter, sie ist immer noch vor ihm ... holt er sie jemals ein?

(immer wieder diskutierter Denkanstoß von Zenon; 5. Jhdt. v. Chr)

... mehr dazu finden Sie hier


Sonntag, den 1. April.

Um drei Uhr morgens heftiger Sturm. Im Schlaf und Halbtraum setzte ich meine dramatischen Plane fort, indessen auf dem Verdeck große Bewegung war. Die Segel mußten eingenommen werden, das Schiff schwebte auf den hohen Fluten. Gegen Anbruch des Tages legte sich der Sturm, die Atmosphäre klärte sich auf. Nun lag die Insel Ustica völlig links. Eine große Schildkröte zeigte man uns in der Weite schwimmend, durch unsere Fernröhre als ein lebendiger Punkt wohl zu erkennen. Gegen Mittag konnten wir die Küste Siziliens mit ihren Vorgebirgen und Buchten ganz deutlich unterscheiden, aber wir waren sehr unter den Wind gekommen, wir lavierten an und ab. Gegen Nachmittag waren wir dem Ufer näher. Die westliche Küste vom Lilybäischen Vorgebirge bis Capo Gallo sahen wir ganz deutlich, bei heiterem Wetter und hell scheinender Sonne.

Eine Gesellschaft von Delphinen begleitete das Schiff an beiden Seiten des Vorderteils und schossen immer voraus. Es war lustig anzusehen, wie sie bald, von den klaren durchscheinenden Wellen überdeckt, hinschwammen, bald mit ihren Rückenstacheln und Floßfedern, grün- und goldspielenden Seiten sich über dem Wasser springend bewegten.

(aus "Italienische Reise" von Goethe)


Die Schildkrökröte 

"Ich bin nun tausend Jahre alt
und werde täglich älter;
der Gotenkönig Theobald
erzog mich im Behälter.

Seitdem ist mancherlei geschehn,
doch weiß ich nichts davon;
zur Zeit da lässt für Geld mich sehn
ein Kaufmann aus Heilbronn.

Ich kenne nicht des Todes Bild
und nicht des Sterbens Nöte:
Ich bin die Schild - ich bin die Schild -
ich bin die Schild - krö - kröte."

(von Christian Morgenstern)


Drei durstige Schildkröten sind zu einer Quelle unterwegs.
Sie laufen ein Jahr, zwei Jahre, drei Jahre und endlich kommen sie an. Gierig wollen sich die ersten beiden Schildkröten auf das Wasser stürzen, da bemerkt doch die dritte, dass sie ihre Trinkbecher vergessen haben.
"Ach, das ist doch egal!" sagt die erste Schildkröte.
"Ich habe so einen Durst!" klagt die zweite Schildkröte.
"Nein, nein," sagt die dritte Schildkröte, "ohne Trinkbecher, das geht doch nicht! Wo bleiben denn da die Manieren! Passt auf: ihr wartet hier, und ich gehe zurück und hole unsere Trinkbecher!"
Die anderen lassen sich wohl oder übel darauf ein, setzen sich auf einen Stein und warten. Sie warten ein Jahr, zwei Jahre, drei Jahre ...
Da hält es die eine Schildkröte nicht mehr aus und sagt zur anderen: "Also mir ist es jetzt egal, ich muss etwas trinken!"
Sie geht zur Quelle und gerade als sie einen Schluck nehmen will, kriecht die dritte Schildkröte aus einem Busch hervor und sagt: "Also wenn ihr schummelt, gehe ich erst gar nicht los ..." 

(unbekannter Scherzbold)


"Etwa zur gleichen Zeit - die Turmuhr in der Ferne hatte Mitternacht geschlagen - saß die kleine Momo noch immer auf den Steinstufen der Ruine. Sie wartete. Sie hätte nicht sagen können, worauf. Aber irgendwie war ihr, als ob sie noch warten solle. Und so hatte sie sich bis jetzt noch nicht entschließen können, schlafen zu gehen. Plötzlich fühlte sie, wie etwas sie leise an ihrem nackten Fuß berührte. Sie beugte sich hinunter, denn es war ja sehr dunkel, und erkannte eine große Schildkröte, die ihr mit erhobenem Kopf und seltsam lächelndem Mund mitten ins Gesicht blickte. Ihre schwarzen klugen Augen glänzten so freundlich, als ob sie gleich zu sprechen anfangen wollte.
Momo beugte sich vollends zu ihr hinunter und krabbelte sie mit dem Finger unter dem Kinn.
"Ja, wer bist du denn?" fragte sie leise. "Nett von dir, dass wenigstens du mich besuchen kommst, Schildkröte. Was willst du denn von mir?"
Momo wusste nicht, ob sie es zuerst nur nicht wahrgenommen hatte, oder ob es tatsächlich in diesem Augenblick erst sichtbar wurde, jedenfalls bildeten sich nun plötzlich auf dem Rückenpanzer der Schildkröte schwach leuchtende Buchstaben, die sich aus den Mustern der Hornplatten zu formen schienen.

"KOMM MIT!" entzifferte Momo langsam.
Erstaunt setzte sie sich auf. "Meinst du mich?"
Aber die Schildkröte hatte sich bereits in Bewegung gesetzt. Nach einigen Schritten hielt sie inne und schaute sich nach dem Kind um. "Sie meint wirklich mich!" sagte Momo zu sich selbst. Dann stand sie auf und ging hinter dem Tier her.
"Geh nur!" sagte sie leise. "Ich folge dir."
Und Schrittchen für Schrittchen ging sie hinter der Schildkröte her, die sie langsam, sehr langsam aus dem steinernen Rund herausführte und dann die Richtung auf die große Stadt einschlug."

(aus "Momo oder Die seltsame Geschichte von den Zeitdieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte" von Michael Ende. Thienemann, 1973. ISBN 3-5221-1940-1.)


Rezepte aus anderen Jahrhunderten; nachkochen verboten!

Schildkröten-Suppe: 
Eine ausgelöste Schildkröte wird mit Wurzelwerk, einem Stück Kalbfleisch sowie einigen Champignons in Butter gedünstet, dann stößt man alles fein zusammen und gibt es in eine gute Einmachsuppe, gießt etwas Madeira hinzu, lässt alles verkochen, seiht die Suppe und richtet sie über gerösteten Semmelnwürfeln an.

Schildkröten in Blutsauce: 
Man hackt von denselben Kopf, Schweif und Füße weg und lässt sie gut ausbluten, fängt aber das Blut in einer Schale auf. Dann setzt man die Schildkröten in kaltem Salzwasser zum Feuer und lässt sie so lange sieden, bis die Schalen aufgemacht werden können. Sodann nimmt man beide Schalen weg, die Schildkröten heraus, zieht die äußere Haut sauber ab, nimmt das Innere sorgfältig heraus und löst sie in Stücke. Man macht mit Butter eine kleine Einbrenn, gibt eine kleine mit Gewürznelken gespickte Zwiebel dazu, gießt mit Fleischbrühe auf und gibt etwas Zitronensaft und ein wenig Schale dazu. Dann legt man die Schildkröten hinein und lässt sie darin noch eine Weile kochen. Vor dem Anrichten mischt man das Blut dazu, die Sauce darf jedoch nicht mehr kochen.


 The Phoenix And The Turtle 

  Let the bird of loudest lay,
  On the sole Arabian tree,
  Herald sad and trumpet be,
  To whose sound chaste wings obey.

  But thou shrieking harbinger,
  Foul precurrer of the fiend,
  Augur of the fever's end,
  To this troop come thou not near!

  From this session interdict
  Every fowl of tyrant wing,
  Save the eagle, feath'red king:
  Keep the obsequy so strict.

  Let the priest in surplice white,
  That defunctive music can,
  Be the death-divining swan,
  Lest the requiem lack his right.

  And thou treble-dated crow,
  That thy sable gender mak'st
  With the breath thou giv'st and tak'st,
  'Mongst our mourners shalt thou go.

  Here the anthem doth commence:
  Love and constancy is dead;
  Phoenix and the turtle fled
  In a mutual flame from hence.

  So they loved, as love in twain
  Had the essence but in one;
  Two distincts, division none:
  Number there in love was slain.

  Hearts remote, yet not asunder;
  Distance, and no space was seen
  'Twixt this turtle and his queen:
  But in them it were a wonder.

  So between them love did shine,
  That the turtle saw his right
  Flaming in the phoenix' sight;
  Either was the other's mine.

  Property was thus appalled,
  That the self was not the same;
  Single nature's double name
  Neither two nor one was called.

  Reason, in itself confounded,
  Saw division grow together,
  To themselves yet either neither,
  Simple were so well compounded;

  That it cried, How true a twain
  Seemeth this concordant one!
  Love hath reason, reason none,
  If what parts can so remain.

  Whereupon it made this threne
  To the phoenix and the dove,
  Co-supremes and stars of love,
  As chorus to their tragic scene.

           THRENOS

  Beauty, truth, and rarity,
  Grace in all simplicity,
  Here enclosed, in cinders lie.

  Death is now the phoenix' nest;
  And the turtle's loyal breast
  To eternity doth rest.

  Leaving no posterity,
  'Twas not their infirmity,
  It was married chastity.

  Truth may seem, but cannot be;
  Beauty brag, but 'tis not she;
  Truth and beauty buried be.

  To this urn let those repair
  That are either true or fair;
  For these dead birds sigh a prayer.

(von William Shakespeare)