Der Pavian und der Pudel
An 
Gotter
Ein großer, finstrer Pavian,
  Der in ein Kloster sich entfernet,
  Wo er dem Pater Guardian
  Die Kasuistik abgelernet,
  Kam mit dem Pudel Tamerlan
  Vom Terminieren einst zurücke
  Und traf auf einer großen 
Brücke
  Ein Dutzend wilder Knaben an.
  Sie stellten mit behendem Fuße
  Sich frech auf das Geländer hin,
  Und flugs lag einer in dem 
Flusse.
  Er schreit, er winkt, umsonst, - sie fliehn.
  "Hier ist ein seltner Streit von Pflichten",
  Sprach der gelehrte Pavian,
  "Wär ich beim Pater Guardian,
  Ich wüßte gleich den Fall zu schlichten.
  Soll ich des Knaben Retter sein?
  Ja freilich, spricht die Menschenliebe...
  Doch wie, wenn ich im Wasser bliebe?...
  Nein, ruft die Selbsterhaltung, nein!"
  "O, wehe dem", versetzt der Pudel,
  "Der Schulwitz und Gewissensrat
  Zu guten Taten nötig hat",
  Und riß den Knaben aus dem Strudel. 
Sei stolz, o Freund, auf dein empfindsam Herz;
  Ist es gleich oft gefährlich für die 
Jugend,
  So schmelzt es auch bei unsrer Brüder Schmerz;
  Empfindsamkeit ist das Genie 
zur Tugend. 
(Gottlieb Konrad Pfeffel; 28.6.1736 - 1.5.1809)